Labormedizin: Falsche Auslandpreisvergleiche des Preisüberwachers gefährden das Gesundheitssystem


In den letzten Wochen wurde vom Preisüberwacher auf der Basis von einseitigen und zum Teil falschen Daten unfundierte und irreführende Auslandpreisvergleiche zu Labortarifen publiziert. Auf dieser Basis und unterstützt durch parlamentarische Vorstösse wurden Einsparungen von einer Milliarde Franken und mehr propagiert – bei einem jährlichen Gesamtvolumen von lediglich 1.8 Milliarden.

Die FAMH hat mit Unterstützung eines Tarif-Experten aus Deutschland verschiedene Daten zu Labortarifen analysiert. Am Beispiel Deutschland kann klar gezeigt werden, dass bei korrekten Berechnungen die Tarifunterschiede marginal und weit von den postulierten 400% entfernt sind.

 

Das Beispiel Deutschland zeigt: wenn Eigenheiten von gesetzlichen und privaten Tarifen (wie es sie in Deutschland, aber nicht in der Schweiz gibt), die Kaufkraftunterschiede (Lohnniveau und Lohnkosten, Niveau der Materialpreise, etc.) zwischen den Ländern und eine der Realität entsprechende Kostenstruktur (insbesondere der Anteil der Personalkosten und Gerätekosten) angewendet werden, verbleiben noch Tarifunterschiede von höchstens 20%.

Und diese 20% resultieren – nebst anderen Faktoren, die noch zu analysieren sind – auch aus folgendem Umstand: Im Gegensatz zu Deutschland profitieren in der Schweiz Patienten und Ärztinnen von einer sehr dezentralen und somit schnellen Versorgungsstruktur, auch weil 40% aller Analysen direkt in Arztpraxen ohne Beteiligung der Labors durchgeführt werden.

 

Diese Unterschiede verdeutlichen zwei Dinge:

  • Internationale Kostenvergleiche sind äusserst komplex und bergen die grosse Gefahr, dass "Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Und dies ist bisher der Fall.
  • Die dezentrale Laborversorgung (Ärzte und Labore) verursacht zwar auf den ersten Blick gewisse Zusatzkosten, die aber in keinem Verhältnis zum Verlust einer patientennahen, schnellen und qualitativ hochstehenden Dienstleistung stehen.

Werden zudem die Zahlen unbeachtet der Gesamtkosten im Gesundheitswesen betrachtet, werden schnell abwegige Schlüsse gezogen: in der Schweiz blieb der Anteil der Kosten für Laboranalysen an den jährlichen Gesamtkosten im üblichen Bereich von 2-3% und kann so nicht als Kostentreiber verantwortlich gemacht werden. Mit anderen Worten sind die Laborkosten parallel mit den gesamten Gesundheitskosten gestiegen, was wenig erstaunt, da Laboruntersuchungen oft untrennbar mit der ärztlichen Behandlung verbunden sind.

 

Daher sind die oben genannten Zahlen des Preisüberwachers, die ohne jegliche Anhörung der Laborspezialisten publiziert wurden, falsch und die darauf gesteuerte Berichterstattung völlig einseitig und ohne Grundlage.

 

Auch gewisse parlamentarische Vorstösse und so der derzeitige politische Druck sowie und Verlautbarungen von Santésuisse beruhen auf falschen Daten. Ein Beispiel: Im Anschluss an die Umstrittenheitsabklärung von Santésuisse vom 10. Februar 2021 hat die FAMH moniert, dass wichtige Faktoren wie Kaufkraft und Kostenverteilung in der Darstellung der FAMH fehlen. Daraufhin hat Santésuisse am 01. Juni 2021 ein neues Modell präsentiert, das davon aus ausgeht, dass die Personalkosten in den Laboratorien 10% der Gesamtkosten ausmachen. Dies ist unrichtig. Die Personalkosten machen in der Schweiz mindestens zwischen 40-50% aus. Und mit diesem hohen Kostenanteil kombiniert mit dem in der Schweiz glücklicherweise hohen Lohnniveau begründet sich auch bereits zu einem namhaften Teil weshalb die Labortarife nicht - wie behauptet - viel zu hoch sind.

 

In der Vergangenheit hat die Politik auf medialen Druck mit unangemessenen, linearen Tarifsenkungen reagiert, ohne dabei die massiven Risiken für das gesamte Gesundheitswesen objektiv abzuwägen.

 

Das wäre unverantwortlich für unser Gesundheitssystem, denn die Schwächung dieses sehr effizienten Instruments würde die gesamte medizinische Versorgung schwächen. Über verpasste diagnostische Chancen würde dies als Dominoeffekt anderswo zu höheren Kosten führen, denn die Labormedizin liefert für 70% der medizinischen Entscheidungen die essentielle Information und verursacht dabei nur 2-3% der Kosten im Gesundheitswesen.

 

Das wäre unverantwortlich für die 15’000 Beschäftigten in der Labormedizin, deren Stellen durch vorschnelle und undifferenzierte Tarifkürzungen bedroht sind.

 

Die Schweizer Labormedizin und das Gesundheitssystem als Ganzes sind aufgrund einer tendenziösen und schlecht fundierten Kampagne gefährdet. Wir rufen die Verantwortlichen in der Politik und in den Behörden auf, dass sie umsichtig und verantwortungsbewusst handeln, indem sie Auslandspreisvergleiche kritisch hinterfragen und sich nicht zu vorschnellen Tarifmassnahmen hinreissen lassen.

 

Sollte ausgehend von falschen Fakten eine überstürzte Tarifsenkung erfolgen, so behält sich FAMH vor, gegen die mutwillige Verbreitung von falschen Fakten und die Tarifsenkung rechtlich und politisch vorzugehen.

 

Die FAMH fordert, dass das bereits laufende Projekt zur Tarifanpassung (transAL2) nun beförderlich voranzutreiben ist und dabei – ausgehend von gesicherten Fakten und Modellen – die notwendigen Tarifanpassungen vorzunehmen sind.

 

Zudem würde es FAMH begrüssen, wenn sie vor Veröffentlichung von Studien und allfälligen Mass-nahmen begrüsst und zumindest angehört würde. Dies ist bisher nicht erfolgt.

 

 

Auskünfte (Vorstandsmitglieder FAMH)

Prof. Dr. Nicolas Vuilleumier, +41 79 613 08 98

Dr. Dieter Burki, +41 79 815 28 71


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