Labormedizin: Keine Tarifsenkung auf Basis von unrichtigen Daten


In den letzten Wochen wurden vom Preisüberwacher einseitige, auf falschen Daten basierende und irreführende Auslandpreisvergleiche zu Labortarifen publiziert. Damit wurden potenzielle Einsparungen von einer Milliarde Franken und mehr propagiert – bei einem jährlichen Gesamtvolumen von 1.8 Milliarden Franken. Nun hat der Bundesrat eine rasche Senkung der aktuellen Tarife auf einen Übergangstarif angekündigt. Verschiedene Quellen gehen von einer Senkung von rund 20 Prozent aus. Die FAMH fordert, von einer so überhasteten Tarifanpassung ohne Risikoanalyse abzusehen. Stattdessen drängt die FAMH darauf, das bereits laufende Projekt zur Tarifanpassung (transAL2) nun voranzutreiben. Die notwendigen Tarifanpassungen sollten auf der Grundlage von Fakten und zuverlässigen Modellen vorgenommen werden.

 

Internationale Kostenvergleiche sind äusserst komplex und bergen die grosse Gefahr, dass "Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Und dies ist bisher der Fall. Werden zudem die Zahlen unbeachtet der Gesamtkosten im Gesundheitswesen betrachtet, werden schnell abwegige Schlüsse gezogen: in der Schweiz blieb der Anteil der Kosten für Laboranalysen an den jährlichen Gesamtkosten im international üblichen Bereich von 2-3% und kann so nicht als Kostentreiber verantwortlich gemacht werden. Mit anderen Worten sind die Laborkosten parallel mit den gesamten Gesundheitskosten gestiegen, was wenig erstaunt, da Laboruntersuchungen oft untrennbar mit der ärztlichen Behandlung verbunden sind. Daher sind die oben genannten Schlussfolgerungen des Preisüberwachers, die ohne jegliche Anhörung der Laborspezialisten publiziert wurden, falsch und die darauf gesteuerte Berichterstattung völlig einseitig und ohne Grundlage.

 

Die Analysen von Santésuisse und des Preisüberwacher sind unrichtig

Auch parlamentarische Vorstösse sowie Forderungen von Santésuisse und des Preisüberwachers beruhen auf falschen Analysen der zur Verfügung stehenden Daten. Die Aussagen, dass die Schweizer Labortarife mehrere hundert Prozent höher seien als jene im Ausland, sind schlichtweg unrichtig.

Auf der Grundlage des gleichen Modells wie Santésuisse, aber unter Berücksichtigung grundlegender Faktoren wie den Besonderheiten der gesetzlichen und privaten Tarife, der Kostenstruktur und der Kaufkraftparität, hat die FAMH in einer vergleichenden Analyse mit Deutschland nachgewiesen, dass die Grössenordnungen der kommunizierten Tarifunterschiede irrational sind. Trotzdem wurden diese leider von den Medien unreflektiert übernommen.

Die Schlussfolgerungen des Preisüberwachers ihrerseits resultieren aus einem einfachen Vergleich der durchschnittlichen Kosten für bestimmte Analysen ohne jeglichen Korrekturfaktor. Ein solches Vorgehen wirft zwangsläufig Grundsatzfragen zur verwendeten Methodik auf.

Die neusten Analysen der FAMH zeigen, dass die tatsächlichen durchschnittlichen Unterschiede nahe bei 0% liegen (im Vergleich mit Deutschland und unter Berücksichtigung der Kosten für die Dezentralisierung). Bei einer detaillierteren Betrachtung lässt sich nachweisen, dass einige sehr häufig verschriebenen Einzelanalysen wie CRP in der Schweiz sogar 30% günstiger sind als in Deutschland.

Diese Beispiele zeigen deutlich die Komplexität des Themas und die unangemessene Art und Weise, in welcher das Thema von seinen Urhebern behandelt wurde.

 

Die FAMH zählt auf eine angemessene und verantwortungsvolle Entscheidung der Behörden, um das Gesundheitssystem zu schützen.

FAMH ist zwar der Ansicht, dass Tarifrevisionsprozesse notwendig und Optimierungen möglich sind. Sie verurteilt jedoch das derzeitige Verfahren, das auf einem unbegründeten Medienrummel beruht. Als nationaler Dachverband hat sie auch die Sorge, dass sich ein unverhältnismässiger Tarifentscheid auf die Qualität der medizinischen Versorgung der Schweizer Bevölkerung auswirken könnte.

Es kann nur richtig behandelt werden, was richtig diagnostiziert wurde. Dabei kommt der Labormedizin eine zentrale Rolle zu, denn sie liefert bis zu 70% der entscheidenden medizinischen Informationen liefert, obwohl sie nur 2-3% der Gesundheitskosten verursacht. Eine Schwächung unserer nationalen diagnostischen Kapazitäten bedeutet eine weitere Schwächung unseres Gesundheitssystems in Zeiten der Pandemie und erhöht das Risiko von medizinischen Fehlern und/oder diagnostischen Irrtümern. Die menschlichen Auswirkungen und finanziellen Kosten solcher Konsequenzen sind bislang noch nicht erfasst worden.

Wir fordern unsere Behörden auf, umsichtig und verantwortungsvoll zu handeln, die vorgeschlagenen Tarifvergleiche kritisch zu prüfen und angemessene Risikoanalysen durchzuführen. Wir appellieren an sie, nicht der Versuchung zu erliegen, als Reaktion auf unbegründeten politisch-medialen Druck überstürzte und unverhältnismässige Tarifkürzungen vorzunehmen.

 

transAL2 beförderlich vorantreiben

Die FAMH fordert, von einer überhasteten Tarifanpassung abzusehen. Hingegen soll das bereits laufende Projekt zur Tarifanpassung (transAL2) vorangetrieben werden. Dabei ist auf gesicherten Fakten und Modellen zu basieren.

Sollte ausgehend von falschen Zahlen eine überstürzte Tarifsenkung erfolgen, so behält sich FAMH vor, gegen die mutwillige Verbreitung von falschen Fakten und eine Tarifsenkung ohne Dringlichkeit rechtlich und politisch vorzugehen.

 

Auskünfte (Vorstandsmitglieder FAMH)

Prof. Dr. Nicolas Vuilleumier, +41 79 613 08 98

Dr. Dieter Burki, +41 79 815 28 71


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