Labormedizin: Unangemessene und ineffiziente Tarifsenkung


Ab dem 1. August 2022 werden die Tarife für Laboranalysen um 10 % gesenkt, mit Ausnahme der Analysen, die von Hausärzten durchgeführt werden. Die lineare Senkung gilt solange, bis das EDI die Tarife sämtlicher Laboranalysen überprüft und angepasst hat. Die Behörden haben diese Entscheidung getroffen, nachdem die Krankenversicherungen und der Preisüberwacher aufgrund unbegründeter und irreführender Preisvergleiche im Ausland medialen Druck ausgeübt hatten. Die FAMH bedauert, dass die neuesten Fortschritte bei der Entwicklung eines fundierten Tarifmodells (Projekt transAL 2) nicht berücksichtigt wurden. Unabhängig vom beunruhigenden Einfluss der Medien auf solche Entscheidungen wird dieser Entscheid vor allem negative Folgen für unser Gesundheitssystem haben, positive Auswirkungen auf die Gesundheitskosten oder den erwarteten Anstieg der Prämien Ende des Jahres werden sie dagegen nicht haben. Die FAMH fordert den Verzicht auf eine weitere mögliche lineare Tarifsenkung, die vom EDI bereits angekündigt wurde, und die Beschleunigung des laufenden Projekts zur Tarifanpassung (transAL2) auf der Grundlage von Fakten und zuverlässigen Modellen.

 

Eine unangemessene und untaugliche Massnahme

Zwar ist es erfreulich, dass die Senkung nicht so stark ausfällt, wie von den Versicherern (-25%) und dem Preisüberwacher (-50%) irrationalerweise gefordert, doch ist die Entscheidung dennoch unangemessen und untauglich.

  • Unangemessen, wegen der überstürzten Natur dieser Entscheidung. Der Anteil der Kosten für Laboranalysen an den jährlichen Gesamtkosten blieb in der üblichen Bandbreite von 2-3% und stiegen parallel zu den gesamten Gesundheitskosten.
  • Unangemessen, weil sie auf fehlerhaften Tarifvergleichen mit dem Ausland beruht, wie die FAMH in einer vergleichenden Analyse mit dem Ausland nachgewiesen hat.
  • Letztlich untauglich, da diese Massnahme hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesundheitskosten die Wirksamkeit eines Heftpflasters auf einem Holzbein haben wird.

 

Eine inneffiziente Massnahme

  • Ineffizient, weil sie einen Sektor betrifft, dessen Anteil an den Gesundheitskosten nicht nur gering, sondern stabil ist (2-3%). Eine Schwächung unserer nationalen diagnostischen Kapazität bedeutet eine weitere Schwächung unseres Gesundheitssystems und erhöht das Risiko von medizinischen Fehlern und/oder diagnostischen Irrtümern. Die menschlichen und finanziellen Kosten solcher Konsequenzen sind bislang noch nicht absehbar.
  • Ineffizient, weil ohne Massnahmen zur Kontrolle der Anzahl Verordnungen, welche bestimmend für die Laborkosten sind, die Wirkung auf die Entwicklung der Gesundheitskosten und der Prämien minimal sein wird. Das Beispiel des identischen linearen Tarifschnitts von Herrn Couchepin im Jahr 2006 in demselben Bereich ist ein Beweis dafür.
  • Ineffizient, denn die Analysen von Hausarztpraxen, die jährlich 40% der Analysen in der Schweiz ausmachen, sind nicht betroffen. Obwohl die FAMH aufgrund des dezentralen Charakters unseres Gesundheitssystems diese differenzierte Betrachtung begrüsst, hat dies zur Folge, dass die Tarifsenkung nur 60% der in der Schweiz durchgeführten Analysen betreffen wird.

 

Die FAMH zählt auf einen angemessenen und verantwortungsbewussten Prozess, um unser Gesundheitssystem zu schützen

Die FAMH ist der Ansicht, dass es zynisch ist, einem einzigen Akteur des Gesundheitswesens 140 Millionen Einsparungen (0.16% der Kosten des Gesundheitswesens von 83 Milliarden) auf einer irrationalen Basis aufzubürden, während die Krankenversicherungen 12 Milliarden Reserven angehäuft haben (1.1.2021). Dies verletzt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Die FAMH moniert dies gegenüber den Behörden und erwartet vom EDI konkrete Massnahmen. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass alle seit 1996 von unseren Behörden vorgeschlagenen Massnahmen systematisch die finanziellen Interessen der Krankenversicherungen begünstigen.

Aus diesen Gründen behält sich die FAMH das Recht vor, juristisch gegen die bewusste Verbreitung irreführender Daten und gegen eine weitere Tarifsenkung, die ohne Dringlichkeit vorgenommen wird, vorzugehen. Sie fordert zudem auch wirksame Kontrollmassnahmen gegenüber den Krankenversicherungen. Weiter wird sie auch die Rahmenbedingungen ihrer Zusammenarbeit mit dem EDI überprüfen.

 

Auskünfte (Mitglieder des FAMH-Vorstands)
Prof. Dr. med. Nicolas Vuilleumier, +41 79 613 08 98
Dr. med. Dieter Burki, +41 79 815 28 71


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