Verhandlungen über die Tarife der Analysenliste: Ein komplexer Systemwechsel ohne jeglichen Mehrwert und auf Kosten der Versorgungsqualität


Medienmitteilung

 

13. November 2024 - Entgegen der Haltung des Bundesrats, des Ständerats, der Kantone, der FAMH und weiterer Branchenverbände, entschliesst sich die SGK-N zu einer Kehrtwende. Sie beantragt ihrem Rat auf die Vorlage einzutreten, mit welcher die Kompetenz zur Aushandlung der Tarife für Laboranalysen im ambulanten Bereich auf die Tarifpartner übertragen werden soll. Dieser komplette Systemwechsel bei der Analysenliste würde weder Kosten senken noch die Effizienz steigern. Stattdessen würde ein solcher erhebliche Unsicherheiten, zusätzliche Komplexität und eine geringere Versorgungssicherheit für die Patientinnen und Patienten mit sich bringen.

 

Die Änderung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) betreffend Tarife der Analysenliste (24.037) sieht vor, die Kompetenz zur Aushandlung der Tarife für Laboranalysen, die im Rahmen ambulanter Behandlungen durchgeführt werden, auf die Tarifpartner zu übertragen. Die SGK-N schlägt zudem vor, den Kontrahierungszwang zu lockern. Diese Beschlüsse der SGK-N, die den Absichten des Bundesrates, des Ständerates und der Kantone zuwiderlaufen, wären bei einer Umsetzung mit folgenden negativen Folgen verbunden: 

  • Hinzufügung eines kontraproduktiven Schrittes im Prozess zur Einführung neuer Leistungen in die Analysenliste (AL). Dieser widerspricht klar den Zielen des ursprünglichen Antrags, der vorsah, die Anpassungen der AL zu beschleunigen. 
  • Nicht handhabbar für verschreibende Ärztinnen und Ärzte, Leistungserbringer und Versicherer. Bei über 1'250 Analysen und 26 kantonalen Systemen würde der Systemwechsel wie vorgeschlagen, zu einer nicht handhabbaren Anzahl von Verträgen führen.
  • Die Gefahr häufig gescheiterter Tarifverhandlungen im Gesundheitsbereich (u.a. Physiotherapie), besteht auch hier, und wird dazu führen, dass ein Teil der Patientinnen und Patienten vertragslos bleibt, die Qualität der medizinischen Versorgung sinkt und sich eine Zweiklassenmedizin entwickelt.

 

Darüber hinaus gibt es bereits Massnahmen zur Anpassung der Tarife, wie das laufende Projekt transAL-2, in dessen Rahmen alle Labortarife überprüft werden (Einführung Anfang 2027), sowie die lineare Senkung der Tarife ab 2022. Der Anteil der Laborkosten an den Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung (OKP) ist zudem seit Jahren stabil.

 

Aufhebung des Kontrahierungszwangs zum Nachteil der Patientinnen und Patienten

Die Aufhebung des Kontrahierungszwangs hat zur Folge, dass jede Ärztin und jeder Arzt, welche eine Analyse verschreiben möchten, zunächst für alle Patientinnen und Patienten prüfen müssen, ob das Partnerlabor einen Vertrag mit der Versicherung der Patientinnen und Patienten hat. Ist dies nicht der Fall ist, bleiben nur zwei schlechte Alternativen:

  1. Den Patientinnen und Patienten die Entnahme verweigern und sie an eine andere Ärztin oder einen anderen Arzt oder an ein anderes Labor verweisen, mit welchem die Versicherung einen Vertrag abgeschlossen hat.
  2. Probenahme und Analyse auf Kosten der Patientinnen und Patienten durchzuführen.

In der Praxis wird der Zugang zu Routineuntersuchungen für Patientinnen und Patienten entsprechend erschwert, es sei denn, diese sind bereit, die Kosten aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Damit steigt das Risiko von Verzögerungen oder Fehldiagnosen sowie unangemessenen Behandlungen. Solch unzumutbare Risiken sind mit dem Auftrag der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht vereinbar.

 

Keine Sonderregelungen nur für Labore

Es ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit unzulässig, eine derart radikale und KVG-fremde Sonderregelung nur für Laboreeinzuführen. Wenn überhaupt, dann sollte die Vertragsfreiheit zwischen Krankenversicherern und Leistungserbringern Gegenstand eines grundlegenden Systemwechsels sein, mit all seinen Konsequenzen für die Regelungsarchitektur des KVG sowie die Gesundheitsversorgung, die Kosten und die Qualität. Ein solcher Systemwechsel müsste jedoch zuerst ernsthaft und gründlich evaluiert und diskutiert werden.

 

Die Labormedizin ist eine Schlüsseldisziplin in der Gesundheitsversorgung und wird mit diesem Gesetzentwurf klar geschwächt: Nur was richtig diagnostiziert wurde, kann auch richtig behandelt werden. Damit werden Kosten gespart und unwirksame Behandlungen verhindert. Die Labormedizin spielt in dieser Hinsicht eine zentrale Rolle. Sie liefert bis zu 70% der entscheidenden medizinischen Informationen und das bei stabilen Kostenanteilen:

 

  • Laut dem Monitoring der Analysenliste des BAG liegt der Anteil der Laborkosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) bei 5%.
  • Die Daten der Statistik der obligatorischen Krankenversicherung (admin.ch) zeigen, dass die Laborkosten pro Person seit 2018 bei 4,5% der OKP-Kosten liegen. Selbst wenn man halbjährliche Vergleiche anstellt, wie santésuisse dies tut, ist offensichtlich, dass die Laborkosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten der OKP stabil bleiben.
  • Zwischen 2020 und 2023 war das Wachstum der Laborkosten deutlich geringer als das Wachstum der Gesamtkosten der gesetzlichen Krankenversicherung.

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